Was Neuseeland so beschaeftigt

D. Das ist vielleicht schon mein letzter Blog. Abseits von meinen persoenlichen Erlebnissen, Heldenstories und Wipeouts wollte ich mal einfach alles aufschreiben, was ich so in meiner Zeit in Neuseeland um mich herum wahrgenommen habe. Ganz unsortiert und ohne Wertung. Here we go: 

  • Immobilien: Speziell auf der Nordinsel dreht sich alles nur um den Hauskauf und -bau, Kreditraten und steigende Preise. Angeheizt von Knappheit sowie auslaendischem Geld wird ueberall gebaut. Recht schnell wird ein Stueck Land platt gemacht und ein neues Holzhaus hochgezogen. Die Grundstuecke und Haeuser sind meist grosszuegig angelegt (800m2 , bzw. 250-300m2 ). Es gibt spezielle Woerter wie „First-Buyer“, die entsprechend in den Wortschatz von Banken, Stammtischgespraechen und Zeitungen einfliessen. Im Normallfall hat "man“ zwei Haeuser. Eins zum drin wohnen und eins zum vermieten, um die Kredite zu finanzieren. Und viel Bau- und Kreditstrategie scheint auf der Annahme weiter steigender Preise zu basieren. Von aussen wirkt dass, speziell nach dem Sehen des Films The Big Short, wie eine gigantische Blase, die beim Abzug auslaendischen Geldes und dann fallender Preise  platzen koennte. Wie sich dann Banken und verschuldete Hausbesitzer ueber Wasser halten ist mir raetselhaft. Schon jetzt sind die Immobilienpresie gemessen am Einkommen die hoechsten weltweit.
  • Erst vor kurzem vom Tourismus als groesstem Wirtschaftszeig abgeloest, ist die Milchindustrie extrem wichtig. Laengst praegen Milchkuehe und nicht mehr Schafsherden die Landschaft. Allerdings sind viele Bauern hoch verschuldet, Abnahmepreise fallen weiter, und es scheint nur eine Frage der Zeit, wann es auch hier zu Problemen kommt. In der Presse wird das taeglich diskutiert und die Saeule wankt. Schon jetzt hat Fronterra, die grosse BauernKooperative 60-90Tage Zahlungsfristen an ihre Serviceunternehmen durchgesetzt. Auch das war ein grosses Thema in der Presse. - Wenn im Auto unterwegs, und die Radiostation The Rock nicht erreichbar, tune ich gern das Autoradio Richtung langer Talk und TalkBack-Runden bei Radion NZ und Radio Live.
  • Selbst im kleinsten Dorf, gibt es in Neuseeland immer einen Tante Emma Laden. Es gibt die Lokalpresse, Pies... (Yummi) und Wasser. Die Einkauefer sind wie in den groesseren Staedten gern barfuss zum Shoppen da und halten gern auch mal ein Schwaetzchen. Auch in der Sprachwahl ist man sehr offen und es gibt im Umgang sowieso kaum Hoeflichkeitsfloskeln. Es wird wenig geflucht und gern einfach viel positiv geredet; „Awesome“, „sweet as“, jeder ist ein „Mate“.  Selbst offizielle Webseiten kommunizieren mit „Awesome, almost done“. Folgendes Exempel erreichte mich letzte Woche per Mail: „REGISTRATION IS .. at BAY ESPRESSO KARAMU RD. .. please check the location, and bring some $ for a coffee and cake.. mmmmmmmmmmm coffee and cake“. 
  • Ansonsten gibt es ueberall Bibliotheken mit PCs mit 30min kostenlosem Internet  fuer Traveller wie mich, bzw. Local youtube- und facebook Fans und Gamer. Ausserdem; oeffentliche Toilletten und an den Straenden auch Duschen. In den kleinsten Gemeinden findet man eine Touri-Info und Schwimmbaeder. All das zusammen macht das Reisen in Neuseeland wirklich sehr einfach.
  • Wichtig fuer Touristen ist auf jeden Fall Sonnencreme. Neuseeland hat Dank des Ozonlochs die staerkste Sonneneinschtrahlung auf dem Planeten. Man merkt foermlich wie die Sonne auf der Haut brennt. Leider gibt es hier auch die hoechsten Hautkrebsraten. Heisst im Klartext, einmal komplett die 30er vom nationalen Krebsinstitut auftragen und dann vor Radfahren, Surfen oder Arbeiten mit Sportsonnencreme nachhelfen. Bisher bin zumindest ich noch ohne Sonnenbrand davon gekommen.
  • Folgende Themen sind omnipraesent in der Presse:
    • Am 22.Februar waren es 5 Jahre seit dem verheerenden Erdbeben in Christchurch. Viele Gebaeude mussten im Nachhinein abgerissen und die Stadt von Grund auf neugebaut werden. Es wurde eine Regierungsstelle eingerichtet, die unabh. von gewaehlten Stadtraeten oder Buergermeistern moeglichst direkt und effektiv entscheiden sollte und Geld bereitstellt. Alle offiziellen Stellen sind froh ueber das Ereichte und es heisst, dass dieses Jahr der grosse Durchrbuch bezuegl. Baumassnahmen geschafft werden soll. Dagegen ist die Meinung aller Leute mit denen ich gesprochen habe eine ganz andere. Viele Versicherungen haben noch nicht gezahlt, so dass einige Familien weiterhin in Campervans leben. Focus wurde scheinbar auf grosse Projekte gelegt, aber nicht auf die taeglichen Beduerfnisse der Einwohner. Strassen in reichen Vierteln sind top, in normalen Gegenden dagegen noch immer in katastrophalem Zustand. Neben den baulichen Errungenschaften, kuemmerte sich wohl keiner um die Menschen, die in ihren Aengsten allein gelassen wurden. Die Regierungsentscheider fliegen nur noch kurz ein, begutachten die Fortschritte und ziehen positive Fazits, waehrend die Einwohner mehr Mitsprache bei Entscheidungen fordern und weit entfernt von einem befriedigenden Umfeld leben.
    • Immigration. Ein Thema, das aehnlich wie die angeblich hohen Kinderzuschuesse (angeblich gibt es viele Muetter die mit Kindern ihren Unterhalt finanzieren) und weitere Benefits z.B. an Arbeitslose oder Maori allgemein vor allem die arbeitenden Neuseelaender beschaeftigt. Der generelle Tenor hier ist sehr konservativ: Alle Auslaender kommen um Vorteile auszunutzen, Moslems werden sich nicht integrieren („Wer glaubt schon daran“, „die bringen alle Terroristen mit“, ..) und die Asiaten heizen den Immobilienmarkt mit ihrem Geld zusaetzlich an.  Eine Unterscheidung zw. Fluechtlingen und Immigranten wird ueberhaupt nicht gemacht. Neuseeland hat uebrigens einige hundert Fluechtlinge aus Syrien aufgenommen und sperrt sich gegen jeden weiteren. Dagegen sind einige Hundertausend Neuseelaender vor ca. 10-15 Jahren fuer besser bezahlte Jobs nach Australien gegangen. Fuer ein kuerzlich unterzeichnetes Abkommen, das diesen den Erwerb der australischen Staatsbuergerschaft genehmigt, wurde Premier John Key gefeiert.
    • Die Fahne Neuseelands: Die Flagge besteht im wesentlichen aus dem kleinen britischen Union Jack (links oben) und dem Sternbild,, Kreuz des Suedens (vier Sterne). Der aktuelle John Key hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine neue Flagge zu legitimieren. Dazu laeuft ein Referendum bis 24.Maerz. Und unzaehlige Diskussionen laufen seit Wochen. Mit verschiedensten Flaggen und Flaggenentwuerfen praesentieren die Hausbesitzer ihre Meinung.
      • Die Befuerworter einer Aenderung haben meist folgendes Argument: NZ ist ein eigenstaendiges Land und sollte eine Flagge unabh. des Koenigreichs haben. Ferner heisst es, dass kein Kiwi mehr unter dieser Flagge in den Krieg ziehen sollte. Auch lebe man im Jetzt und nicht in der Vergangenheit und koenne auf geschichtliche Elemente verzichten. Besonders amuesant ist das Argument Neuseelands Flagge solle sich von der Australiens unterscheiden. - Die Rivalitaet mit den Aussies ist generell ueberall wahrzunehmen. Viele weitere Inselstaaten (Fidji, Hawai) aber auch Provinzen Kanadas tragen ebenfalls noch immer den Union Jack.
      • Die Gegner einer Aenderung liefern natuerlich entsprechende Gegenargumente: 30Mio $ fuer etwas wie eine Flaggenaenderung ist zu viel Geld; die ausgewaehlte Alternative die zur Abstimmung steht entspricht einer 5minuetigen Photoshop Arbeit (Silberfarn auf schwarzem und blauem Hintergrund, dazu dass Kreuz des Suedens) und wurde unter kruden Umstaenden beschlossen; die Geschichte der Flagge soll beibehalten bleiben (NZ zog unter dieser Flagge in die Weltkriege..); statt NZ sollte doch lieber OZ die Flagge tauschen, die Maori wollen die neue Flagge nicht aus Angst Ansprueche, die aus dem 1840er Abkommen mit England gefordert werden koennen, wuerden hinfaellig werden; der Premier hat das Thema politisiert; Sportler bei den Olympischen Spielen in Rio mit der neuen Flagge zu sehen waere schlimm, usw.
    • Und ueberhaupt die Presse. Wert wird auf moeglichst exakte Berichterstattung der taeglichen kleinen Katastrophen (Autounfaelle, Schiessereien, Badeungluecke, usw) gelegt. Im Samstags Herald (entsprechend der Sueddeutschen Zeitung) gab es immerhin 3.5 Seiten „World„. Gepreagt wie immer von Donald Trump (alle Infos werden dazu aus der Washington Post zitiert), Immigration in Europe (ebenfalls aus der US Presse zitiert) und Randnotizen. Weiterhin gibt es abenteurliche Geschichten, wie folgende, die es auf die 2.Seite International, direkt unter einen Artikel bezuegl. NKorea vs. SKorea&USA geschafft hat. Konkret ging es um eine Hundeschoenheitswahl in „Crufts“ (ohne Landesangabe), in der dieses Jahr ein zusaetzlicher Aufpasser pro Hund erlaubt ist. Das wurde eingefuehrt, nachdem im Vorjahr ein Hund an einer Vergiftung starb und die namentlich erwaehnte Besitzerin (Breeder Dee Milligan-Bott) von einer Vergiftung auf der Show ausging. Hunde wuerden generell bis zu 15Minuten allein gelassen. Auch wenn sich nach eine Gutachten herausstellte, dass der Hund bereits im Vorfeld vergiftetes Essen zu sich genommen hatte, wollen die Veranstalter jedes Risiko vermeiden und den Hundebesitzern dieses Jahr ein sicherers Gefuehl geben. Nicht erwaehnt im zweispaltigen 60Zeiler (!) blieb allerdings, wie die Veranstalter mit der Ankuendigung der Hundebesitzern umgehen wollen gleich acht Aufpasser mitzubringen - wenn doch nur einer erlaubt ist.
    • Sehr informativ fand ich auch den Artikel (ebenfalls im World Teil, allerdings einer anderen Zeitung), wie ein Amerikaner zu bestrafen ist, der einen Alligator durch ein Fenster in ein Wendys Diner schmiss. Ist von einer Straftat im Umgang mit einer mortalen Waffe ohne Toetungsabsicht auszugehen oder handelt es sich um einen in Florida verbotenen Umgang mit Alligatoren?
  • Die "W"s. Mindestens drei von vier, ja zumindest jeder zweite Ort in Neuseeland ist unausprechbar und beginnt mit W. Abgesehen von der Hauptstadt gibt es unzaehlige Staedte, Fluesse und Berge die allesamt mit W anfangen und aus zufaellig kombinierten „a“ und „h“, "u“, "p" und "k"s bestehen. Mit der zusaetzlichen schwierigen Aussprache ist es schier unmoeglich mit Einheimischen ueber eine Route zu reden oder gar Informationen ueber kleinere Staedte auszutauschen. Gespraeche a la „ich war in..“ oder „was kann man in .. machen“ fuehren zwangslaufig in ein Labyrinth aus dem sich nur schwer entkommen laesst. Beispiele? Auf der Radrunde rund um den Lake Taupo habe ich u.a. folgende Orte passiert: Wairakei Drive - Whangamata Road - Waihaha River (incl. Waihaha Road und Waihaha Village) - Waihi (incl. Waihi Road, usw.) - Waiotaka River - Waimarino River - Waitahanui - Wharewake - Waipahihi . Die Liste liese sich endlos fortsetzen. Viele der Woerter haben Maori Ursprung. Wai bedeutet Wasser und davon gibts hier jede Menge. 
  • Bier. Neuseeland ist ein Biertrinker Paradies. Ueberall bluehen die Craft Bier Brauereien auf. In den kleinsten Orten gibt es einen Brauer der seine IPAs, APAs und Pilsner mit lokalem Hopfen anbietet. In den einheimischen Pub gibt es diese dann auch vom Zapfhahn. Zu meinem konstanten Biergenuss der teuren Handwerksbiere traegt bei, dass es kaum alkoholfreies Bier gibt.  Zum Leidwesen meiner Leber..
  • Freundlichkeit und Einfachheit. In den letzten Wochen war ich ja ziemlich abseits der TouriPfade unterwegs und habe meine Biere entsprechend mit den Einheimischen getrunken. Wie wenig wichtig sie sich nehmen ist einfach ueberragend. Ohne jegliche Diskussionen wird man in Familien hier und da eingeladen und ist sofort Teil der Gemeinschaft. Das ist einfach ganz normal hier. Ganz unaufgeregt. Herrlich.

 

Ja, ich befinde mich noch immer in NZ. Den Plan noch einen 4Wochen Abstecher nach Asien zu machen habe ich verworfen. Lieber moechte ich hier noch etwas Kiwi Luft schnuppern und ein paar Wellen suchen. Daneben beginnt sich mein Kopf schon gen Rueckreise bereit zu machen, traeumt von Deutschland, Arbeit und Wohnung, plant Autoverkauf und Radrueckversand, nachdem ich gestern beim Gentle Annie Radrennen meinen letzten offiziellen Einsatz hatte. Das werden sicher noch einmal spannenden Wochen, inklusive (Neu)Start im Laendle auf den ich schon etwas neugierig bin.

 

Falls ihr wollt, hier noch ein Verweis zum Bericht ueber meinen ersten olympischen Triathlon, bei dem mit der mythischen Nummer 69 alles gut lief. Link